Publikumsbeschimpfung
Babak Saed im Kunstraum
Kreuzlingen
kreuzlingen. Im Kunstraum wird
derzeit multinational beschimpft. Babak Saed gastiert dort mit
seiner Installation «Deutlicher will ich es Dir nicht sagen».
alexia sailer
Sein Medium ist die Sprache.
Überwiegend in Installationen und Videoarbeiten setzt sich der
in Bonn lebende Künstler Babak Saed mit menschlicher
Kommunikation und Nicht-Kommunikation auseinander. Eine
«Wortanwort»-Sprache hat der 1965 in Iran Geborene entwickelt,
eine Sprache, in der der Künstler innerhalb eines in
Grossbuchstaben geschriebenen Satzes auf Interpunktion wie auf
Leerzeichen zwischen den Worten verzichtet. Unbeteiligtes,
schnelles Überlesen garantiert ausgeschlossen.
Bombardement ausgesetzt
Oberflächliches Konsumieren ist
garantiert auch im Falle der Installation Saeds
ausgeschlossen, die der Konstanzer Kurator Stephan Geiger
jetzt in den Kunstraum Kreuzlingen geholt hat. «Deutlicher
will ich es Dir noch nicht sagen», so der Titel der Arbeit,
lässt den Betrachter zum Ausgelieferten werden, der sich einem
wahren Sprachbombardement ausgesetzt sieht. Beklemmenden
Gefühlen, vielleicht aber auch einmal humorvollen Situationen
obendrein. Elf Monitore, zu drei Quadraten im Raum geordnet.
Je zwei Monitore sind frontal gegeneinander gerichtet. Auf den
Mattscheiben: Der auf jedem der Bildschirme zeitversetzt
abgespielte Film von fünfzehn Menschen. Menschen
unterschiedlichster Nationen. Die sich zu Beginn der
Einstellung zum Betrachter umdrehen - und loslegen: Schimpfen,
was das Zeug hält. In ihrer jeweiligen Muttersprache. Von Thai
über Luganda, Französisch, Moré, Arabisch, Türkisch zu
Ukrainisch. Beschimpfen sie sich gegenseitig? Oder zielen die
Tiraden auf den Zuschauer? Die Installation gibt keine
Antwort. Wirft dafür aber umso mehr Fragen auf. Und bietet
trotz ihrer formalen Reduktion (die Monitore stehen in ihrer
symmetrischen Anordnung schlicht auf dem Boden, drei
«Wortanwort»-Sätze sind in roten Lettern an den Wänden
angebracht) multiple Anreize zur Interpretation: Schimpfen,
das ist eine eruptive sprachliche Äusserung, die zwar auf
Mitteilung angelegt ist, nicht jedoch auf den Dialog.
Einprasselndes Stimmengewirr
Schimpfen, das folgt, wenn die
Argumente ausgehen. Schimpfen, das ist Gewalt und
Nicht-Kommunikation. Saed steigert diesen Akt im Gesamtklang
des zeitversetzt auf allen elf Monitoren abgespielten Films
der schimpfenden Individuen zu einem kollektiven
Schimpfgemurmel, in dem keine Stimme mehr wirklich Gehör
findet. So potenziert er «Nicht-Kommunikation» in seiner
Installation. Schimpfendes Individuum und Unverständlichkeit
des gesamten Stimmengewirrs bedeuten ein zweifaches rein
monodirektionales Einprasseln auf den der Inszenierung
ausgelieferten Betrachter.
Schimpfen befreit
Saed hat seine Schimpfenden meist
bei der Ausländerbehörde angesprochen. Die Ukrainerin, der
Thailänder, der Mann aus Uganda oder der Khmer-Sprechende
haben vor der Kamera sichtlich engagiert Ärger Luft gemacht,
indem sie recht frei drauflos schimpfen konnten. Nach den
Tiraden hätten sich die Eingeladenen befreit und erleichtert
gefühlt, erzählt Saed. Der Betrachter der Installation
«Deutlicher will ich es Dir noch nicht sagen» im Kunstraum
Kreuzlingen muss sich wiederum die Last, derer sich die
Protagonisten auf den Monitoren vor ihm höchst emotional und
auf elementare Art und Weise entledigen, aufbürden und mit ihr
auseinander setzen. Nach längerem Verweilen in der
Installation kann er sich dieser Auseinandersetzung mit
Verständigung und Unverständnis nicht mehr entziehen. Und
genau das macht Saeds Installation zu einer wirkungsvollen
Arbeit, die ihre Botschaft klar an den Adressaten
Kunstinteressent bringt.
Bis 21. Dezember. Geöffnet: Do
und Fr 17-20; Sa 13-17; So 11-17 Uhr. So, 30. November, 11
Uhr: «Brot und Wein», Künstlergespräch zwischen Kurator
Stephan Geiger und Babak Saed (Kunstraum Kreuzlingen Bodanstr.
7a).